Melanie Georg und ihr Mann leben mit rund 50 Schafen, einer Handvoll Rindern und Pferden und ihren Border Collies im schwäbischen Neckar-Odenwald-Kreis. Die Hunde lernen bei ihr eine besondere Aufgabe: Rinder zu hüten! Im Gespräch verrät Melanie mehr darüber.
Das Interview führte: Lena Schwarz
Melanie, wie kamen Sie auf den Border Collie als Hütehund für Rinder? Lägen da nicht etwa Hunde wie der Australian Cattle Dog näher?
Der Cattle Dog und Australian Shepherd sind tatsächlich in Deutschland eher dafür bekannt, an Rindern zu arbeiten. In den USA ist das anders. Durch den Cutting-Sport habe ich enge Verbindungen dorthin. [Anm. der Redaktion: Cutting, oder „Schneiden“/„Abtrennen” ist eine Wettkampfdisziplin innerhalb des Westernreitens. Reiter und Pferd müssen dabei ein Rind von der Herde separieren. Das Pferd muss das Rind dann fast selbstständig daran hindern, zur Herde zurückzulaufen.] Beim Cutting-Training brauche ich mindestens einen weiteren Reiter in der Halle, der die Kuh für mich in Bewegung bringt, wenn ich sie aus der Herde sortiert habe und sie stehen bleibt. Als Partner fürs Training wollte ich anstelle eines Reiters einen Hund einsetzen. In den USA hat fast jede Ranch mit Rinder auch einen Arbeitshund. Das sind sehr häufig Border Collies.
Welche Eigenschaften sollte ein Border Collie haben, um gut an Rindern arbeiten zu können?
Die Hunde, die tatsächlich Rinder arbeiten, müssen eine Art gesunden Größenwahn – ein starkes Selbstbewusstsein – haben. Das kann der Mensch u.a. über das, was man ihn „machen lässt”, beeinflussen. Die Hunde sollten aber von Natur aus mutig und offen gegenüber allem Neuen sein. Es spielen noch einige andere Dinge hinein, ob es letztendlich passt: zum Beispiel die Erfahrungen, die sie im Laufe der Ausbildung mit Schafen und Rindern machen. Erlebt ein Hund anfangs Schlechtes, kann es sein, dass man ihn nie zu einem kompetenten, selbstsicheren Hütehund machen kann. Es geht also nicht allein darum, was der Hund mitbringt, sondern auch darum, was der Mensch daraus macht. In den richtigen Händen kann auch ein etwas schwächerer Hund richtig gut werden.
Wie sieht der erste Kontakt mit dem Vieh für den Hund aus?
Sehr junge Hunde lasse ich zunächst mit ein paar Schafen in die Halle oder den Round Pen, einen runden, eingezäunten Platz. Dann schaue ich, was der Hund von sich aus anbietet. Manche laufen mir hinterher, manche wollen lieber wieder nach draußen, und wieder andere sind direkt bei der Sache. Mit dem Training fangen wir behutsam zwischen dem achten und zwölften Lebensmonat an. Das ist wie bei Kindern: Manche sind mit fünf Jahren schon schulreif und andere erst mit sieben. Manche bringen den Mut mit, andere brauchen mehr Zeit. Sie müssen sowohl vom Kopf als auch vom Körper weit genug sein.
Die Basis erarbeiten wir dann erstmal an Schafen, nicht an Rindern, da hier das Risiko für den Hund deutlich geringer ist. Auch kann man an Schafen sein Selbstvertrauen fördern. Der Hund muss erst einmal verstehen und lernen, was er tun soll. Ich bringe ihm bei, wie viel Abstand er zu den Schafen halten soll, wie er in welche Richtung laufen muss und welche Richtung mit welchem Kommando belegt wird.
Selbstverständlich bin ich auch dafür verantwortlich, dass meine Schafe nicht so viel Stress haben. Sie liegen mir ebenfalls sehr am Herzen!
Wie viel Distanz zwischen Hund und Vieh ist zum Hüten nötig?
Ich zeige den Hunden, dass sie eine gewisse Distanz zu den hütenden Tieren einhalten müssen. Schafe und Rinder haben eine Art Blase um sich herum. Bei manchen ist sie größer, bei manchen kleiner. Dementsprechend kann der Hund einige bereits bewegen, wenn er noch weit weg ist. In anderen Fällen muss er näher hin. Dann lernt der Hund Kommandos für „Links“ und „Rechts“. Border Collies haben in der Regel einen natürlichen Bring-Trieb, was wir uns im Training zunutze machen. Hat der Hund ein gutes Balancegefühl beim Bringen der Schafe oder Rinder, muss man häufig kaum noch etwas korrigieren, außer eventuell den Abstand zum Schaf, dass der Hund nicht zu viel Druck auf sie macht. Die Hunde lernen auch, aufs Signal hin von der Seite auf die Schafe zuzugehen oder sie weg zu treiben. Darüber hinaus gehört zur Ausbildung, die Herde zu teilen, indem man den Hund an der entsprechenden Stelle durch die Herde zu sich ruft und er beide Gruppen voneinander getrennt hält. Wichtig ist es zudem, dass sie die Schafe bei mir halten können. Das gibt mir die Möglichkeit, beispielsweise ein krankes Tier herauszusuchen. So kommen Kommandos hinzu, die wir Schritt für Schritt aufbauen.
Unterscheidet sich die Kommunikation mit dem Hund, wenn Sie auf dem Pferd sitzen, von der am Boden?
Überhaupt nicht. Letztendlich bin ich während der Ausbildung zu Fuß unterwegs. Grundsätzlich fange ich zudem auch mit Schafen an. Viele Landwirte haben diese Möglichkeit nicht, da sie keine Schafe halten. Ich finde es aber schöner, da ich über die Schafe drüberschauen kann. So habe ich genau im Blick, was mein Hund gerade macht und kann ihn so viel präziser korrigieren und zeigen, was ich von ihm erwarte, wo er hingehen soll und was ein absolutes No-No ist.